Test: Porsche 718 Spyder - Einfach zum Spaß (2024)

Luxus – der oberste deutsche Sprachhüter „Duden“ definiert das so: kostspieliger, verschwenderischer, den normalen Rahmen (der Lebenshaltung o. Ä.) übersteigender, nicht notwendiger, nur zum Vergnügen betriebener Aufwand. Jepp, passt, vor allem Letzteres. Der Porsche 718 Spyder ist eindeutig Luxus.

Dabei entsteht er – stets als letztes Modell seiner Baureihe – eigentlich erst einmal durch Verzicht. Man nehme etwa einen Porsche 718 Boxster GTS 4.0 (Test in GF 4/2021), lasse unnötig luxuriöse Ausstattungsdetails wie etwa die gewichtige vollautomatische Verdeckbetätigung, Türgriffe und noch ein wenig mehr Schnickschnack weg. Dafür garniere man den Roadster mit einem riesigen Aluminium-Heckdeckel, dessen zwei Streamliner direkt hinter den Überrollbügeln betörend schön nach hinten abfließen – wie schon einst bei den 718 RSK-Rennwagen Ende der 1950er-Jahre. Hinzu kommt ein feines Stoff-Mützchen mit zwei elegant gespannten Finnen, die den Spyder auch in geschossenem Zustand zu einem ganz besonderen Beau machen. Abschließend packe man noch 20 PS mehr Leistung drauf und fertig ist der Porsche 718 Spyder. Nun ja, die Zuffenhausener würden dieser – zugegeben stark vereinfachten – Bauanleitung wohl nicht zustimmen, doch es ist das Grund-Rezept.

Lust auf Extravagantes

Und warum macht man sowas? Weil es immer Menschen gibt, die etwas Extravagantes, das zwar im Alltag vielleicht nicht ganz so praktisch und universell einsetzbar ist wie seine Basis, einfach viel aufregender, schöner und emotionaler finden – und es genau deshalb kaufen. So ist es auch mit dem aktuellen Porsche 718 Spyder. In Pressetexten zu neuen Automobilen liest man gerne von skulpturalen Formen. Ach, wirklich? Dieser Spyder ist eine echte Skulptur – ein Sportwagen-Kunstwerk. Da passt einfach alles. Flach, breit, bullig mit wunderbar filigranen Details, perfekten Proportionen, riesigen Rädern, diesem zarten, straff nach hinten gespannten Stoffdach und dem monumentalen Heckdeckel, der in einen kecken Spoiler ausläuft. Einfach nur atemberaubend schön.

Aber das ist längst nicht alles. Unter dem betörenden Alu-Kleid sind noch weitere Schlüsselreize für Petrol-Heads verborgen. Zuallererst ist hier der Motor zu nennen: knapp vier Liter Hubraum verteilt auf sechs Zylinder in Boxer-Anordnung. Vier Ventile pro Zylinder, Nockenwellenverstellung auf Ein- und Auslassseite, Direkteinspritzung, Resonanz-Sauganlage, Trockensumpfschmierung. Kein Turbo, keine anders geartete Luftpumpe, einfach nur feinster Sportmotorenbau. Ein Kunstwerk für sich. Die Leistungsdaten: 420 PS bei 7.800 Kurbelwellenrotationen pro Minute, 420 Nm maximales Drehmoment bei 5.500/min. Mehr Porsche geht kaum. Dazu gibt es in Serie ein Sechsgang-Handschaltgetriebe – der 7-Gang- PDK-Doppelkupplungsautomat des Testwagens kostet 2.826 Euro extra –, dynamische Getriebelager und Heckantrieb mit Porsche Torque Vectoring sowie mechanischer Hinterachs-Quersperre. Passt punktgenau!

Verlagssonderveröffentlichung

Nähern wir uns dem automobilen Kunstwerk ehrfürchtig. Der Spyder schnüffelt mit seinem um 30 Millimeter tiefergelegten PASM-Sportfahrwerk förmlich an der Straße. Vorne gähnen Lufteinlass-Schlünde in wunderbar zum indischroten Lack kontrastierenden Schwarz, darüber stecken die abgedunkelten Bi-Xenon-Scheinwerfer mit porsche-typischer 4-Punkt-TFL-Signatur. Die riesigen 20-Zoll-Spyder-Räder mit 235/35er Pneus und 295/30er Gummiwalzen hinten füllen die Radhäuser exakt. Am Heck gefallen die dunklen LED-Rückleuchten und der schwarze Diffusor, der auch die zwei glanzschwarzen Endrohre der zweiflutigen Serien-Sportabgasanlage aufnimmt.

Einsteigen. Auf Fahrer und Beifahrer warten im Testwagen die optionalen Vollschalensitze. Hat man einmal Platz genommen, sind sie trotz alleiniger Manual-Längsverstellung unerwartet bequem, engen nicht ein, zwicken nirgends – auch nicht nach Stunden – und bieten grandiosen Seitenhalt.

Doch eine Frage sollte man sich vor dem Kauf ehrlich beantworten: Bin ich alters- oder staturbedingt noch gelenkig genug, um Ein- und vor allem Ausstieg stilvoll hinzubekommen? Bestehen Zweifel, sollte man lieber bei den zweifach elektrisch verstellbaren Serien-Sportsitzen bleiben, bei denen man nicht über die Seitenwangen klettern muss.

Der Boxer erwacht und bellt!

Start – natürlich links der Lenksäule. Der Boxer erwacht mit einem kurzen Bellen zum Leben. Herrlich! Die PDK auf D geschaltet und der Spyder rollt sanft an, fädelt sich in den Stadtverkehr ein, nimmt Fahrt auf. Wie jeder Porsche benimmt sich der Spyder im Alltagsbetrieb äußerst manierlich – akustisch wie auch am Gaspedal. Allein das Stoffverdeck gewährt nicht die gleiche Dämmung der Umgebungsgeräusche wie etwa beim Boxster.

Die PDK schaltet sehr früh und damit drehzahlsenkend sowie spritsparend hoch. Es ist keine Seltenheit, dass man bei 50 km/h schon in Gangstufe 6 unterwegs ist. Erfreulich: Benötigt man einen energischen Antritt, wird auch ohne Kickdown flott heruntergeschaltet und so der gewünschte Vortrieb bereitgestellt.

Auf einem Parkplatz hinter der Stadtgrenze erfolgt die Öffnungs-Prozedur: Erst wird per Schalter in der Mittelkonsole elektrisch entriegelt. Der Haken am Scheibenrahmen fährt zurück, die Heck-Haube springt auf. Jetzt heißt es über die Sitzwangen klettern und aussteigen. Das Verdeck wird leicht von Hand zurückgeschoben, um die Finnen zu entspannen. Jetzt mit dem Finger unter dem Stoff der Finnenspitze den Knopf ertasten, der sie auf kräftigen Druck aus ihrer Verankerung löst. Finne ans Verdeck umstecken, Heckdeckel öffnen, Verdeck im Kasten ablegen, Heckdeckel schließen. Das war‘s. Kennt man die Handgriffe, ist der Vorgang in zwei Minuten erledigt. Beim Schließen ebenfalls.

Auf ins Vergnügen! Der Boxer bellt auf, diesmal noch vernehmlicher, weil offen. PDK auf Sport, die Abgasklappen ändern die Stellung. Ab geht‘s. Jetzt hängt der Boxer voll konzentriert am Gas, hält die Gänge länger, setzt blitzschnell auch kleinste Gasbefehle um. Man hatte schon fast vergessen, wie unglaublich direkt Saugmotoren reagieren – zumindest wenn sie von Porsche kommen. Es ist eine wahre Wonne, dazu das Boxer-Konzert im Genick – unvergleichlich.

Der Spyder schnürt wieselflink über die Landstraße, die Lenkung ist ein Genuss: straff, direkt, extrem zielgenau und bestens rückmeldend. Besser geht‘s einfach nicht. Dazu das rassige GT-Lenkrad in feines Race-Tex-Gewebe gehüllt – supergriffig und todschick. Beim Anbremsen spratzelt‘s vergnügt in der Abgasanlage, die PDK schaltet routiniert und unaufgeregt zurück – wunderbar.

Die optionale Keramik-Bremse verwöhnt mit einem satten Druckpunkt, bester Dosierbarkeit und unfassbarem Biss. Rennstrecken-Fans sollten unbedingt über die Investition in die 7.914 Euro teuren Stopper nachdenken. Wer kein Bestzeiten-Jäger ist, wird sicher auch mit der Serien-Bremsanlage glücklich werden.

Leistung ohne Ende

Inzwischen stehen wir an der GF-Messstrecke. ESC aus, alle Systeme auf Sport – und los geht‘s… Der Boxer brüllt auf, die PDK feuert die Gangstufen ab, die Nackenhaare stehen stramm. Der Spyder wird mit einem ungeheuren Wumms nach vorne katapultiert, der Motor giert nach Drehzahlen, der Grip ist unfassbar gut. Nach 3,8 Sekunden sind 100 km/h erreicht, nach 12,1 Sekunden 200 km/h – und es geht munter weiter. Schluss ist erst bei Tempo 300. Damit ist der 718 Spyder im Standard-Sprint nochmal um zwei Zehntelsekunden schneller als der 718 Boxster GTS 4.0 – den 20 Zusatz-PS und dem etwas niedrigeren Gewicht sei Dank.

Doch am Ende kommt es darauf gar nicht an. Mit dem 718 Spyder wie auch dem 718 Boxster GTS 4. 0 kann man einfach sauschnell unterwegs sein. In stramm angegangenen Kurvenkombinationen gibt‘s kein Nicken und kein Wanken, einfach nur Agilität, Präzision, Traktion pur und unbändigen Leistungswillen. Dennoch bleibt der Spyder auch auf den 20-Zöllern noch überraschend komfortabel, federt kleine Unebenheiten noch feinfühlig weg. Erst im Sportmodus wird es ziemlich knackig. Ein Fall für den Racetrack.

Wer noch intensiver räubern will, schaltet in der Manual-Gasse am Hebel oder mit den Paddles am Lenkrad. Das macht gleich nochmal mehr Spaß. ESC und Traction-Control lassen sich zudem für ganz wilde Ritte – am besten abseits öffentlicher Straßen – getrennt abschalten. Dann sollte man aber wissen, was man tut.

Das gilt auch für den Kauf des 718 Spyder. Er bietet nicht ganz die uneingeschränkte Alltagstauglichkeit des 718 Boxster GTS 4.0, dafür eine noch größere Faszination und noch etwas schärfere Fahrleistungen. Das muss einem mit 98.468 Euro im Fall der PDK-Version rund 10.000 Euro mehr wert sein als ein vergleichbarer 718 Boxster GTS 4.0 kostet. Aber wir sprechen hier ja von Anfang an über reinen Luxus.

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